
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
seit Monaten diskutiert die Bundesregierung den aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht. Der Entwurf des Berichtes ist im FDP-geführten Wirtschaftsministerium so verändert – oder auch zensiert – worden, dass ungefällige Passagen nicht mehr enthalten sind.
Egal wie die Endfassung aussehen wird, Fakt bleibt, dass rund 350.000 Vollzeitbeschäftigte in Deutschland acht Stunden am Tag arbeiten und doch ohne ergänzende Hartz IV-Leistungen nicht über die Runde kommen. Im Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz sind zigfach Beispiele von Menschen genannt, die als sogenannte Aufstocker auf Geld vom Staat angewiesen sind, damit wenigstens ihr Existenzminimum gesichert ist. Sie sind arm trotz Arbeit. Ihre Chancen sind heute geringer als früher, der Armutsfalle zu entkommen. Wer arm ist, bleibt arm. Heute wird Armut durch den Sozialstaat sehr viel weniger vermieden, als noch vor 10 oder 15 Jahren. Hinzu kommt laut Bericht des Statistischen Bundesamtes, dass in Deutschland fast 13 Millionen Menschen von Armut bedroht sind.
Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Gehaltsexzesse auf der einen Seite und Armut trotz Arbeit auf der anderen Seite lassen unsere Gesellschaft auseinanderdriften. In Attendorn, einer Stadt mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Nordrhein-Westfalen, lebt gut 1 % der Bevölkerung von Gaben der Tafel.
Laut Armuts- und Reichtumsbericht vereinen 10 % der Haushalte 53 % des gesamten Nettovermögens auf sich. Auf die untere Hälfte der Haushalte entfällt dagegen nur 1 %. Dass die Bundesregierung nach internem Tauziehen in dem noch nicht verabschiedeten Bericht nicht mehr von einer ungerechten Verteilung spricht, ist reine Schönfärberei.
Die Armut hat sich in Deutschland leider verfestigt; die Armutsquote liegt seit 2007 zwischen 14 und 16 Prozent. Es ist ein Skandal, dass sich diese Zahl auf einem so hohen Niveau einpendelt. Hieraus kann nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Armut von einigen politisch gewollt ist.
Abzulesen ist dies an unzureichenden Hartz-IV-Sätzen, die zuletzt nur geringfügig erhöht worden sind; aber auch an dem in Deutschland immer stärker ausufernden Niedriglohn-Sektor. Inzwischen arbeitet jeder vierte Arbeitnehmer zu einem Niedriglohn. Niedriglöhne holen Menschen zwar aus der Arbeitslosigkeit, nicht aber aus der Armut.
Hinzu kommt, dass inzwischen auch die Renten vielfach zum Leben nicht mehr ausreichen und die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Deutschland stetig ansteigt. Von 630.000 im Jahr 2005 ist die Zahl der Betroffenen inzwischen auf 850.000 gestiegen.
Im Entwurf des Kreishaushaltes des Kreises Olpe werden im kommenden Jahr die gesamten sozialen Aufwendungen rd. 72 Mio. Euro ausmachen. Letztlich wird hiervon ein ganz großer Teil über die Kreisumlage auf die sieben Kommunen des Kreises abgewälzt.
Unsere Gesellschaft ist schon längst an dem Punkt angekommen, an dem sie, auch im Hinblick auf den demographischen Wandel, definiert muss, wo die Reise hingehen soll und wie künftige Generationen leben sollen.
Wir müssen unser Land wieder ins Gleichgewicht bringen. In der Wirtschaft, in der Gesellschaft und in unserer Demokratie müssen wir eine neue Balance schaffen. Es muss dafür gesorgt werden, dass die soziale Marktwirtschaft wieder Wohlstand für alle und nicht Reichtum für wenige bringt. Es muss noch mehr in Bildung, Kinderbetreuung und eine gute Daseinsfürsorge investiert werden. Das geht angesichts der Staatsverschuldung nur über eine gerechte Besteuerung: Hohe Vermögen, hohe Einkommen und große Erbschaften haben, ebenso wie die Verursacher der Krise die Banken -, stärker zu einem handlungsfähigen Gemeinwesen und zur Bewältigung der Kosten der Krise beizutragen. Starke Schultern können mehr tragen.
Die staatlichen Haushalte haben zusammen eine Verschuldung von rd. 2 Billionen Euro. Gleichzeitig beläuft sich das Vermögen der privaten Haushalte auf rd. 8 Billionen Euro. 6 Billionen Euro privates Vermögen wären doch auch ausreichend der Staat wäre dann schuldenfrei. Irgendetwas ist in den vergangenen 65 Jahren in der Beziehung falsch gelaufen.
Natürlich ist es richtig, derjenigen habhaft zu werden, die Teile ihres Geldes in der Schweiz oder anderen Ländern versteckt haben. Sie haben sich der Solidargemeinschaft in Deutschland entzogen und benutzen aber selbstverständlich unsere Infrastruktur. Sie haben ein Verbrechen begangen, für das unser Strafgesetzbuch die Antwort parat hat. In der Beziehung ist die Schweiz mit ihrem Geschäftsmodell ein Unrechtsstaat.
Wenn jeder an sich denkt, ist lange noch nicht an alle gedacht. Unsere Gesellschaft ist insgesamt gefordert, ein humanes und friedfertiges Zusammenleben zu definieren und hierfür die Verantwortung zu übernehmen. Ein würdevolles Leben aller muss hierbei die Richtschnur sein.
Ihnen allen wünsche ich schon heute ein gutes, ein glückliches und vor allem ein gesundes neues Jahr.
Bernd Banschkus
Vorsitzender SPD-Kreisverband Olpe