Ein Grundproblem verdeutlichte Prof. Dr. Ulrike Buchmann gleich zu Beginn ihres 45-minütigen Vortrags beim SPD-Kreisparteitag am Samstag in Oberveischede. Das Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft ist noch nie unproblematisch gewesen, erläuterte die Gastreferentin von der Universität Siegen. Die Expertin der Uni-Fakultät Bildung, Architektur und Kunst hatte ihre Erläuterungen unter die Überschrift Neue Herausforderungen erfordern neue Strategien: Szenarien einer modernen Aus- und Weiterbildung gestellt.
Ein Dilemma in der heutigen Zeit seien die überalterten Bildungsgänge, doch hier bewege sich die Politik nicht im Sinne der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Das Bildungssystem passe nicht mehr zu den Anforderungen, denen sich die jungen Menschen in ihrem Leben stellen müssten. Die Qualität der Abschlüsse entspreche nicht den gesellschaftlichen Erwartungen.
Um die Defizite der Jugendlichen mit Interventionsmaßnahmen zu kompensieren gebe der Bund jährlich rund 8 Mrd. Euro aus. Doch der Komplexität der gesellschaftlichen Praxis werde man mit diesen Mitteln nicht gerecht, so Prof. Dr. Ulrike Buchmann. Benachteiligte hätten auch trotz dieser Maßnahmen weiterhin keine Chance auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft.
Derzeit reparieren wir am laufenden Band, dabei müssen wir uns fragen, wie Bildungsgänge aussehen müssen, um junge Menschen für die Anforderungen ihres Leben auszubilden. Zunächst sei ein Umdenken und damit eine Abkehr von den alten Bildungsgängen erforderlich. Dazu sei ein Grundkonsens aller Akteure vonnöten. Die Bildungsgänge müssten nach Ansicht der Expertin, die am Lennestädter Gymnasium ihr Abitur ablegte, an die Ressourcen und die zu bewältigenden Aufgaben orientiert werden. Wir müssen die jungen Leute dahin bringen, dass sie das leisten, was sie leisten können.
Prof. Dr. Ulrike Buchmann legte den Kommunalpolitikern nahe, nicht auf Entscheidungen von oben zu warten: Was hält die Region davon ab, die Bildungsfrage selbst zu steuern? Wenn man will, kann man eine regionale Bildungslandschaft aufbauen. Sie sei sich bewusst, dass das eine heikle Geschichte sei, weil es um Standortfragen und damit um Konkurrenz gehe.
Kirchturmdenken sei aber in dieser für die Zukunft so entscheidende Frage falsch. Vielmehr sollten beispielsweise neue Formen öffentlicher und privater Finanzierungen gefunden werden, um die jungen Menschen auf die sehr komplexe Welt vorzubereiten. Abschließend betonte die Referentin: Es wäre toll, wenn wir einen regionalen Dialog hinbekommen. Das ist das Ziel.
In diese Kerbe schlug auch Volker Reichel vom SPD-Orts- verband Olpe: Wir hatten in den Kommunen noch nie so einen großen Spielraum vor Ort. Die Entideologisierung der Schulpolitik in NRW sei ein Quantensprung. Wir haben nun die vielleicht nur zeitlich begrenzte Chance, gute und gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle zu schaffen. Wir müssen jetzt reagieren.
Wir definieren Bildung zu oft an Interessen der Wirtschaft, kritisierte Christian Pospischil, Beauftragter für Öffentlich- keitsarbeit im SPD-Kreisverband Olpe. Ein typisches Beispiel sei das Abitur nach zwölf Schuljahren. Dabei habe man nicht an die Anforderungen des einzelnen Menschen und dessen Leistungsgrenzen gedacht. Es gelte schließlich auch, soziale Kompetenzen zu lehren. Durch die besondere Belastung der jungen Menschen sei aber an Vereinstätigkeiten und ähnliches
kaum mehr zu denken.
Pospischil plädierte in seinem Referat Beste Bildung im Kreis Olpe dafür, dass die Zahl der Lehrer auch bei sinkenden Schülerzahlen nicht herabgesetzt werden dürfe. Außerdem sei er für den Erhalt der Grundschulen auf dem Land und somit für das Prinzip Kurze Beine, kurze Wege.
Er glaube, dass die Sekundarschule die Probleme auch hier vor Ort lösen könne. Diese gebe beispielsweise Spätzündern die Möglichkeit, ihre Chancen zu nutzen. Außerdem habe man endlich mal Planungssicherheit. Und einen Seitenhieb auf den Olper CDU-Kreisvorsitzenden und CDU-Landtagsabgeordneten Theo Kruse konnte sich Pospischil mit Blick auf den NRW-Schulkonsens von SPD, Grünen und CDU nicht verkneifen:. Leute wie Theo Kruse müssen sich eine neues Hobby suchen, er kann nicht mehr die alten CDU-Ideologien verteidigen.
Man habe im Kreis Olpe einen hässlichen Streit zwischen Kommunen erlebt, erinnerte der Attendorner SPD-Politiker an die Klagen von Attendorn und Lennestadt gegen die von der Gemeinde Finnentrop anvisierte Gemeinschaftsschule, die dann ja auch mit richterlichem Beschluss gestoppt worden sei. Einigen Bürgermeistern hätte es gut getan, wenn sie soziales Lernen erlebt hätten. Für Christian Pospischil steht fest: Die Weiterentwicklung der Schullandschaft im Kreis Olpe muss im Konsens der Kommunen erfolgen.