In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der DGB-Region Südwestfalen wollte Willi Brase ursprünglich beim Politischen Aschermittwoch des SPD-Kreisverbands Olpe nicht auf das aktuelle politische Gehaue eingehen. Doch zwei Geschehnisse vom Tage hatten den SPD-Bundestags- abgeordneten aus Siegen offensichtlich in Rage gebracht. Er bezeichnete den Aufruf des CSU-Vorsitzenden, Horst Seehofer, an den ehemaligen Verteidigungsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg, in die Politik zurückzukehren, als Dreistigkeit und Verlogenheit.
Das zweite Thema, das ihm auf der Zunge brannte, war der Benzingipfel und das Desaster um den E 10-Biosprit: Die Verbraucher werden regelrecht verarscht, wetterte er vor den nur 25 anwesenden Genossen in der Attendorner Gaststätte Stadttheater.
Nach den Seitenhieben Richtung Passau und Berlin kehrte Brase wieder nach Südwestfalen zurück. Hier leisten qualifizierte Menschen gute Arbeit in den Unternehmen. Damit die industrielle Struktur erhalten bleibt, brauchen wir vernünftige Wettbewerbsbedingungen. Wir brauchen eine soziale und ökologische Industriepolitik. Dazu gehören der zusätzliche HTS-Anschluss, neue Gewerbeflächen für Wenden und Kreuztal sowie der Ausbau der Ruhr-Sieg-Strecke. Wir müssen noch mehr deutlich machen, dass wir eine Powerregion und die Industrieregion in Nordrhein-Westfalen sind.
Auch die Bildungspolitik war für den DGB-Regions- vorsitzenden Thema: Bildung ist für uns Grundrecht. Deshalb ist eine nachhaltige Verbesserung der Bildungsteilhabe ohne Hintergrund der sozialen Herkunft notwendig, appellierte Brase und sprach sich für eine Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Uni aus. Dass in Deutschland zwei Millionen junge Menschen im Alter von 25 bis 35 Jahren keinen Berufsabschluss hätten, stehe stark im Kontrast zum Fachkräftemangel. Hier sei die Regierung gefordert, diese Menschen zu qualifizieren, anstatt noch mehr Zuwanderer hereinzuholen.
Willi Brase sprach sich außerdem für eine gerechtere Arbeitsmarktpolitik aus. Es könne nicht angehen, dass nur 60 Prozent aller Beschäftigten einen tariflichen oder gesetzlichen Mindestlohn erhielten, und es sei entwürdigend, dass 2,2 Millionen Menschen weniger als 6 Euro Stundenlohn bekämen. Er forderte gute, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse und keine Prekärbeschäftigung. Dazu gehörten das Minimieren von Minijobs und der Leiharbeit, ein Berufsausbildungsrecht für alle jungen Menschen und gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Wichtig seien auch die Mitbestimmung und Achtung der Würde des Menschen in der Arbeit. Wenn wir diesen Sog nicht gestoppt kriegen, fliegt uns ein Teil des Zusammenhalts in der Gesellschaft auseinander, mahnte der Politiker.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Qualifizierung und Perspektive im Betrieb und in der Gesellschaft seien weitere nötige Indikatoren. Auch in Sachen Finanz- und Wirtschaftskrise sparte Brase nicht mit Vorwürfen gegenüber der schwarz-gelben Regierung: Die Bewältigung der Krise ist durch Kurzarbeit und Lohnzurückhaltung im Wesentlichen von den Arbeitnehmern geleistet worden. Dagegen seien die Verursacher bis heute nicht herangezogen worden. Deshalb seien jetzt, wo der Banken- und Finanzsektor brumme und die Wirtschaft wachse, endlich die Arbeitnehmer mit Lohnerhöhungen dran. Dazu gehörten auch die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sowie die Telekom-Mitarbeiter in NRW. Auf Schärfste kritisierte er die Entwicklung der Gesundheitsreform. Der Beitrag für die Arbeitgeber ist bei den Krankenkassenkosten festgeschrieben.
Alles, was nach oben geht, muss von den Arbeitnehmern bezahlt werden. Das kritisierte auch der Attendorner SPD-Ortsvereinsvorsitzende Uwe Beul: Da kommt so ein gelber Jungspund mit seiner Devise ,Privat vor Staat. Die Folge: Arbeitnehmer müssen hochgerechnet 20 Prozent mehr zahlen. Das hat mit Solidarität nichts mehr zu tun. Beul rief auf, Leute wie Rösler zu stoppen: Ansonsten kann man zukünftig an den Zähnen erkennen, wer Geld hat. Er appellierte, dass Gesundheit und Pflege bezahlbar gemacht werden müssten. Wir brauchen eine Bürgerversicherung, um eine verlässliche Grundversorgung zu erzielen.
Ein Beispiel für die katastrophale Gesundheitspolitik sei auch die ärztliche Notfallversorgung. Was da auf dem Rücken der Menschen ausgetragen wird, ist eine Katastrophe. Stundenlanges Warten, bis der Arzt nach Hause kommt. Die Gesundheitspolitik ist fehlgeschlagen, da hilft auch ein Dr. Junker aus Olpe mit seiner Kassen- ärztlichen Vereinigung nicht. Der gehört da nicht mehr hin. Der hat keine Ahnung, wetterte Beul. Er schlug vor, beim nächsten Parteitag eine Resolution zu erwirken, um die Bundesregierung in die Pflicht zu nehmen.
Auch die Pflegeversicherung könne langfristig nur über eine Bürgerversicherung sichergestellt werden, sagte Beul. Er kritisierte die immer größer werdende Bürokratie, die mehr Zeit in Anspruch nehme als die Arbeit mit den Betroffenen.
SPD-Kreisvorsitzender Bernd Banschkus sprach von einem spannenden Jahr, in dem die Landes-SPD viel auf den Weg gebracht habe. Die Kommunen sind wieder gleich- berechtigte Partner. Sie bekommen wieder die Gelder, die ihnen zustehen.
Und Kinder werden bereits vor der Schule gefördert. Er bezeichnete es als heuchlerisch, dass die Opposition in Düsseldorf neue Ausgaben fordere und dass von Berlin aus gleichzeitig Schuldenabbau der Länder verlangt werde. Deshalb sandte er einen Gruß in Richtung Kirchveischede, wo der neue Parteichef der CDU NRW, Bundesumwelt- minister Dr. Norbert Röttgen, beim Politischen Ascher- mittwoch sprach (die SZ berichtete): Rüttgers hat einen Schuldenberg von 1,3 Mrd. Euro angetreten und neue gemacht. Solange Röttgen dieses Erbe leugnet, bleibt er unglaubwürdig.
Banschkus: Wir sagen, was wir tun, und wir tun, was wir sagen. Deshalb sollten wir in zwei Jahren den Wechsel in Berlin herbeiführen.