„Viele Steine im Weg“ zu den Linken

Der Wähler hatte gesprochen – doch was bei der Landtagswahl herauskam, stellt die Parteien offensichtlich vor große Schwierigkeiten, wenn es darum geht, eine Regierung zu bilden. Die FDP will nicht mit Rot-Grün, die SPD nicht mit den Linken, jedenfalls nicht so richtig, die CDU nur mit der SPD, wenn sie den Chefposten behält.

Laut einer Forsa-Umfrage, vom Magazin „Stern“ in Auftrag gegeben, sollen angeblich 66 Prozent der Befragten in NRW gegen Rot-Grün-Rot sein. Wir sprachen gestern mit beimischen Sozialdemokraten über das derzeitige „Koalitions-Dilemma“.

Für den Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion, Thomas Förderer, wäre eine‚ Minderheitsregierung‘ denkbar: „Man muss sich vor Augen führen, dass SPD und Grüne zusammen 90 Sitze haben, CDU und FDP 80. Wenn die Linken dann meinen, sie müssten alles, was von der SPD kommt, torpedieren, müssten sie mit der CDU stimmen.“ Das gelte schon bei der Frage des Ministerpräsidenten-Postens.

Förderer: „Wer. Hannelore Kraft nicht unterstützt, hält Rüttgers im Amt“ Dass die SPD Sondierungsgespräche mit den Linken führt, ist für Förderer nichts Ungewöhnliches: „Es geht darum, abzuklären, ob vor dem Hintergrund des Wahlprogramms der Linken eine Möglichkeit besteht, Gemeinsamkeiten zu finden.“ Einige Dinge, z. B. die Verstaatlichung der Energiekonzerne, seien einfach unrealistisch. Förderer: „Es liegen viele Steine im Weg.“

Heftige Kritik an der FDP übte auf die Frage nach möglichen Koalitionen Bundestagsabgeordneter Willi Brase: „Westerwelle ist vor der Wahl mit dem Ziel 10 Prozent plus x nach draußen gegangen und bei sechs Prozent gelandet. Vor dem Hintergrund einer
solchen Wahlschlappe anderen Fraktionen im Land NRW Vorschriften machen zu wollen mit sie reden sollen oder dürfen ist für mich eine dreiste Unverschämtheit.“

Das Verhalten der FDP, so Brase, stoße aber offenbar nicht nur in politischen Kreisen auf breite Kritik. Aus jüngsten Gesprächen mit Gewerkschaftlern in Berlin habe er vernommen, dass die Arbeitgeberverbände jetzt Druck auf die FDP ausübten, doch noch zurück in den Ring zu steigen. Eine Absage erteilt Brase dem Ansinnen der CDU in einer großen Koalition mit einem Ministerpräsidenten Rüttgers weiter zu regieren- Brase: ‚Wenn man 10 Prozent verloren hat, schließt sich so etwas eigentlich aus. Das ist mit der SPD nicht zu machen.“

Zu den Sondierungsgesprächen mit den Linken meinte Brase, Hannelore Kraft habe gesagt, dass die Linken mit ihrem Wahlprogramm nicht regierungsfähig seien. Deshalb müssten strittige Punkte dieses Programms Thema solcher Gespräche sein.

Brases Bundestagskollegin Petra Crone hat vollstes Vertrauen in das Vorgehen ihrer Parteikollegen aus NRW und erklärte gestern, dass sie den bisherigen Weg Hannelore Krafts unterstütze: „Es war richtig, zuerst mit der FDP zu sprechen. Mich hat gewundert, welche Arroganz die FDP an den Tag gelegt hat angesichts dieses Wahlergebnisses.“

Grundsätzlich hält Crone es für wichtig, dass NRW eine „stabile Regierung“ bekomme. Ausschließen möchte sie lediglich, mit Blick auf eine große Koalition, dass Rüttgers im Amt bleibe. Zu allen weiteren Optionen wollte sie gestern nichts sagen. Nur soviel: „Ich vertraue unseren Sozialdemokraten in NRW.“

Der aus dem Landtag ausgeschiedene SPD-Abgeordnete Reinhard Jung aus Wenden ist der Meinung: „Es ist richtig und wichtig, dass mit allen Parteien gesprochen wird. Es ist aber auch sehr ärgerlich, dass sich die FDP verweigert und versucht, der SPD den ‚schwarzen Peter‘ zuzuschieben.“

Sondierungsgespräche mit den Linken seien notwendig, um deren Demokratieverständnis zu klären. Es gebe bei den Linken die unterschiedlichsten Strömungen. Grundsätzlich gehe er davon aus, dass die Unterschiede zwischen SPD und Linke für eine Koalition zu groß sein dürften. Jung:„Ich könnte mir vorstellen, dass die Basis der Linken aufbegehrt, wenn deren NRW-Parteispitze im Rahmen einer Regierungsbeteiligung zu viele Zugeständnisse machen müsste.“ Eine große Koalition ist für Jung durchaus denkbar, aber nur mit einer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Jung: „Eine große Koalition unter Führung der CDU wird es mit der SPD nicht geben.“

Bernd Banschkus (Attendorn), Vorsitzender der SPD im Kreis Olpe, wies gestern noch einmal ausdrücklich auf den Wählerwillen hin: „SPD und Grüne haben 90 Sitze, Schwarz-Grün 80. Das zeigt: Der Wähler will, dass Rot-Grün eine Regierung bildet.“ Die Linke sei nur dann koalitionsfähig, wenn sie demokratische Grundsätze mittragen könnten und nicht auf ihren extremen Positionen beharrten. Banschkus rechnet aber damit, dass die Linken sich in Richtung SPD bewegen würden.

Grundsätzlich hält der Attendorner Sozialdemokrat aber auch eine Minderheits-Regierung von SPD und Grünen für handlungsfähig. Banschkus: „Es gibt mehr Gemeinsamkeiten mit den Linken als mit der FDP. Ich denke da insbesondere an die Studiengebühren und die Schulpolitik.“ Alles Themen, bei denen die Linken auch außerhalb einer Koalition kaum gegen eine SPD-geführte Regierung stimmen würden. Auch bei der Wahl einer Ministerpräsidentin Kraft könnten die Linken kaum mit ‚Nein‘ stimmen, sondern sich höchstens enthalten.

Als „äußerste Schmerzgrenze“ bezeichnete Banschkus eine große Koalition – aber mit einer Fifty-Fifty-Regelung – hieße: zweieinhalb Jahre ein CDU-Ministerpräsident, zweieinhalb Jahre Hannelore Kraft.