Grass fordert «Hausverbot» für Lobbyisten im Bundestag

Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat ein Hausverbot für Lobbyisten im Bundestag gefordert. Als Gast der SPD-Bundestagsfraktion sagte der 80-jährige am Freitag nach Angaben von Teilnehmern: „Ihr seid die gewählten Parlamentarier.“ Man sollte alle Lobbyisten und Vertreter von Interessengruppen „mit dem Besen aus dem Parlament fegen“.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und den Chef der Linkspartei Oskar Lafontaine nannte Günter Grass Demagogen. "In einer Zeit, in der die Demagogen meinen, ihre Stunde habe wieder geschlagen, muss man schon ein kräftiges Wort einlegen, ob es nun Herr Koch in Hessen ist oder Lafontaine auf der anderen Seite".

Grass ermahnte die SPD-Abgeordneten, nicht nur immer über ihre neuen Vorhaben zu diskutieren. Manchmal müsse man auch mit Besonnenheit zurückschauen und seine eigenen Leistungen nicht vergessen. In den siebziger Jahren habe die SPD Gesamtschulen eingerichtet, heute setze sie auf Ganztagsschulen. Die SPD dürfe sich dieses Thema von der Union nicht wegnehmen lassen, mahnte der Schriftsteller.

Nach Angaben von Teilnehmern sprach Grass in einer etwa halbstündigen Rede auch über Kinderarmut sowie das Urheberrecht und prangerte die weltweite Ungerechtigkeit an. Auch der Springer-Verlag, mit dem Grass seit Ende der 60er Jahre über Kreuz liegt, kam in seiner Rede nicht ungeschoren davon und wurde als „Dreckschleuder“ beschimpft. Die Gruppe 47, der auch Grass angehört, hatte damals einen Boykott von Springer-Zeitungen beschlossen. Grass hält sich bis heute daran.

Grass forderte die SPD auf, weiterhin zu ihrem Leitbild des „demokratischen Sozialismus“ zu stehen. Wie die frühere PDS und die heutige Partei Die Linke mit diesem Begriff umgehe, sei „Diebstahl“.

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck versicherte dem Literaturnobelpreisträger, dass die SPD ihre historischen Wurzeln nicht vergessen habe. „Wir lassen uns den Begriff demokratischer Sozialismus nicht desavouieren – auch nicht von der CSU.“ Beck spielte damit auf Überlegungen in der CSU an, im Wahlkampf das alte Unions- Motto „Freiheit statt Sozialismus“ wieder zu beleben. Kurt Beck wertete Grass‘ Rede als Ansporn für mehr Einsatz für sozialdemokratische Ziele. Die SPD-Abgeordneten, die bei einer Klausur die Planung für 2008 berieten, applaudierten stehend.

Der Fraktionsvorsitzende Peter Struck erinnerte daran, dass Grass vor 34 Jahren auf Einladung des damaligen Vorsitzenden Herbert Wehner schon einmal in der Fraktion gesprochen habe. Er hatte auch für die SPD-Kanzler Willy Brandt und Gerhard Schröder Wahlkampf gemacht. Grass sagte, er würde gerne wieder in die SPD eintreten, könne dies aber nicht tun, solange die Verschärfung der Asylgesetze noch gelte. Wegen dieser Gesetze hatte Grass in den 90er Jahren die Partei verlassen.